Marte Meo-VIDEOBERATUNG UND DIE FRAGE DER QUALITÄTSSICHERUNG

Die Verbreitung der MarteMeo-Methode schreitet auch in Deutschland erfolgreich voran. In immer mehr Regionen des Landes können Ratsuchende durch diese Methode eine Unterstützung erfahren. Im Internet finden sich zunehmend mehr Angebote für eine MarteMeo-Beratung. Öffentliche Jugendhilfeträger finden inzwischen mehr Anbieter für eine MarteMeo-Beratung, um auch diese Beratungsmethode im Rahmen von „Hilfen zur Erziehung“ nach § 27 ff. SGB VIII nutzen zu können. Auch im Bereich der Altenhilfe, speziell für Demenzkranke, lassen sich erfreulich viele Angebote finden.

Dieser schöne Erfolg muss flankiert werden durch die notwendige Sicherstellung der Qualität dieser Angebote. In den ersten Jahren der Verbreitung der MarteMeo-Methode in Deutschland erfolgte die Weiterbildung der Fachkräfte ausschließlich durch die Begründerin der Methode, Maria Aarts, persönlich oder aber zumindest mit ihrer Mitwirkung. Maria Aarts kannte daher die hier ausgebildeten Fachkräfte persönlich, wusste um ihre Stärken und konnte sicher sein, dass ihre fachlichen und ethischen Standards eingehalten wurden.

In dem Maße, wie mehr und mehr Institute und Personen in Deutschland ausbilden, braucht es daher eine Verständigung über die Einhaltung der curricularen und ethischen Standards der Methode, d.h. einen strukturellen Organisationsrahmen.

Inzwischen hat sich das deutsche MarteMeo-Netzwerk mehr oder weniger in fünf Regionalgruppen gegliedert, die jeweils durch eine/n Regionalgruppen-Sprecher*in vertreten werden. Im April 2017 haben diese Regionalgruppen-Sprecher*innen ein Arbeitspapier zur Struktur der deutschen MarteMeo-Arbeit verfasst, welches – da die Zustimmung von Maria Aarts ausblieb – bis heute nicht verabschiedet werden konnte.

Nachdem bereits beim letzten Treffen der Regionalgruppensprecher*innen im November 2018 Maria Aarts ihre Zustimmung zu der geplanten „Selbstverpflichtung“ verweigert hatte, steht nun fest, dass Maria Aarts inzwischen eine Arbeit in Regionalgruppen insgesamt ablehnt und die Treffen der Regionalgruppen-Sprecher*innen nicht mehr möchte.

Hintergrund:

Diese „Erklärung zur Selbstverpflichtung auf Qualität in den MarteMeo-Weiterbildungen“ sollte zukünftig für alle ausbildenden MarteMeo-Institute bzw. Einzelpersonen verbindlich sein, die dieser Erklärung formal zustimmen.

Anders jedoch als in den sehr gut strukturierten nordischen Netzwerken (Schweden, Norwegen, Dänemark), die klar definierte Rahmenbedingungen (Curricula, Prüfungsmodalitäten usw.) vorgeben, zeigt der bei in Deutschland verwendete Begriff „Selbstverpflichtung“, dass ggf. mit den Qualitätsstandards kunstvoll vage verfahren werden kann. Auf einen zweiten Blick ist auffallend, dass scheinbar am früheren zeitlichen Umfang der Weiterbildungen gespart werden darf, bzw. dass dies wohl niemand sehr interessiert.
Beibehalten wird von einigen Anbietern der alte, von Maria Aarts zu Beginn vorgegebene Umfang von 6 Tagen für die Weiterbildung „practitioner“, mindestens weitere 12 Tage für die Weiterbildung „therapist / Colleague trainer“. Aber die tägliche Stundenzahl wird nunmehr nur noch mit 6 Unterrichtseinheiten (á 45 min.) angegeben, d.h. mit 4,5 Zeitstunden pro Tag. Bekannt ist aber allgemein, dass qualifizierte und zertifizierte Weiterbildungen in Deutschland mit 8 UE, d.h. 6 Zeitstunden rechnen. Was sagt das über Qualität aus, wenn hier – warum auch immer – zwischen 25 und 40 Prozent der Seminarzeit wegfallen dürfen!?

In Bezug auf die Selbstverpflichtung kann selbstverständlich positiv unterstellt werden, dass sich eine deutliche Mehrheit von Kolleginnen und Kollegen korrekt an diese Selbstverpflichtung halten würde. Aber was ist mit sog. „schwarzen Schafen“, von denen sich wohl auch MarteMeo nicht freisprechen kann? Wer kontrolliert – im wohlverstandenen Interesse von Klient*innen und Weiterbildungsteilnehmer*innen – die Einhaltung einer unterschriebenen Selbstverpflichtungs-erklärung? Wer wird, bzw. wer darf im Rahmen des Netzwerkes aktiv werden, wenn offensichtliche Verletzungen von Standards bekannt werden, die dem allgemeinen Ruf der Methode abträglich wären?

Da Maria Aarts diesen Ideen für eine neue Struktur keine Zustimmung erteilte, bleibt im Interesse der MarteMeo-Entwicklung nur zu hoffen, dass auf diese und noch andere Fragen zukünftig befriedigende Antworten erarbeitet werden können. Auf Zeit und Dauer kann es der Verbreitung der MarteMeo-Methode in Deutschland nur gut tun, wenn sie verlässliche Organisationsstrukturen entwickeln, aufbauen und sicherstellen könnte.

Bis dies geleistet ist, sind sowohl Ratsuchende als auch Weiterbildungsinteressierte sehr gut beraten, sich selbst vorher möglichst umfassend zu informieren. Es gilt bei Interesse an MarteMeo, unbedingt frühzeitig umfassende Informationen über Angebote einzuholen, diese ggf. zu vergleichen und so selbst für eine angemessene Qualitätsklärung zu sorgen. Die nachstehenden Informationen können dafür eine Orientierung bieten:

a) Hinweise für Ratsuchende, die eine MarteMeo-Beratung wünschen

Sie können sich in erster Linie an den Weiterbildungsabschlüssen der Personen orientieren, die eine MarteMeo-Beratung anbieten. Eine MarteMeo-Beratung darf nur anbieten, wer mindestens als „MarteMeo therapist“ (= Beratungsqualifikation) zertifiziert ist. Der Abschluss „Practitioner“(= Anwendungsqualifikation) qualifiziert die Fachkraft nur, die Methode in der eigenen Arbeit (zum Beispiel in der pädagogischen Arbeit mit Kindern) anzuwenden. Das Zertifikat „Practitioner“ stellt keine Beratungs-qualifikation dar.

Der Abschluss „MarteMeo-Colleague Trainer“ (= Fachberater*in) bezieht sich nur auf den Kontext der Beratung von Fachkräften (z.B. Kolleginnen und Kollegen in einer Kindertagesstätte). Eine qualifizierte Beratung von Eltern beispielsweise ist mit diesem Abschluss nicht automatisch sichergestellt.

Fragen Sie daher bei Interesse unbedingt nach dem jeweiligen Abschlussniveau und lassen sich ggf. ein Zertifikat zeigen.

Wenn Sie in eine MarteMeo-Beratung (schriftlich) einwilligen, gelten neben der Datenschutzvereinbarung (DS-GVO) einige ethische Standards, die nicht verletzt werden dürfen. Vor Beginn der Beratung sollten Sie umfassend über MarteMeo informiert worden sein. Qualifizierte Fachkräfte sprechen mit Ihnen nicht nur über die Methode, sondern zeigen ggf. auch einen Demonstrationsfilm, damit Sie sich ein „eigenes Bild“ machen können. Sie erhalten genügend Zeit, um abzuwägen, ob Sie dieses Beratungsangebot in Anspruch nehmen möchten und werden weder zeitlich noch inhaltlich unter Druck gesetzt. Auch eine „Probezeit“ wird bei Ambivalenz üblicherweise eingeräumt.

Wenn mit Ihrer ausdrücklichen schriftlichen Einwilligung in Ihrem Lebensumfeld gefilmt wird, bleiben die erstellten Filme nach dem Urheberrecht Ihr „geistiges Eigentum“. Daraus folgt, dass Sie auf Wunsch immer eine Kopie der Filme erhalten, wenn Ihnen dies wichtig ist. Auch welche Situationen aus Ihrem Alltag gefilmt werden, stimmen Sie gemeinsam und einvernehmlich mit der MarteMeo-Fachkraft ab. Ihre Anliegen nach positiver Veränderung stehen immer im Mittelpunkt der Beratung. Nach Beendigung Ihrer Beratung haben nur Sie das Recht zu bestimmen, was mit Ihren Filmen geschieht. Sie können zum Beispiel festlegen, dass sie komplett gelöscht werden müssen. Ohne Ihre ausdrückliche schriftliche Zustimmung dürfen Ihre Filme anderen Personen nicht gezeigt werden.

b) Interesse für eine Weiterbildung in der Methode

Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, eine Weiterbildung nach der MarteMeo-Methode zu absolvieren, können folgende Aspekte eine erste Orientierung bieten:

Prüfen Sie beispielsweise im Internet, welche Angebote Sie in Ihrer Region oder darüber hinaus finden und vergleichen Sie die gefundenen Angebote. Weiterbildungen in der MarteMeo-Methode dürfen nur zertifizierte „MarteMeo-Supervisor*innen“ anbieten. Diese Fachkraft sollte angeben können, welche/r „Licensed Supervisor“ (= internationale Ausbildungsberechtigung) sie zertifiziert hat und wer die Weiterbildung fachlich begleitet.

Zwei Sonderfälle: Einer liegt vor, wenn eine Fachkraft in Ausbildung zur Supervisor*in ist. Hier sollte angegeben sein, wer die Supervisionsausbildung leitet. Die Ausbildung von MarteMeo-Supervisor*innen darf nur durch die genannten „Licensed Supervisor“ erfolgen, welche wiederum nur von Maria Aarts persönlich ernannt werden.

Ein zweiter Sonderfall betrifft den sog. „Colleague trainer“. Diese sind berechtigt, im Rahmen der eigenen Einrichtung oder Institution – aber nur hier! – Grundkurse für „Practitioner“ anzubieten.

Achten Sie im eigenen Interesse auf die Einhaltung von Standards der Weiterbildung. Es entspricht dem internationalen Standard, wenn Sie vor Vertragsunterzeichnung eines Weiterbildungsvertrages ein kostenloses Informationsgespräch oder eine Einführungsveranstaltung besuchen können, wo all Ihre Fragen beantwortet werden sollten. Das gültige Curriculum sollte Ihnen schriftlich vorliegen. Nach den geltenden curricularen Standards von Maria Aarts umfasst ein Grundkurs (= Anwendungsstufe) sechs Weiterbildungstage, der Aufbaukurs (= Beratungsstufe) mindestens 12 bis 16 Tage, so dass die vollständige Beratungs-Weiterbildung 18 bis 22 Tage umfasst. Sollten Sie ein Angebot finden, welches deutlich weniger Tage umfasst, kann wahrscheinlich die Qualität sehr in Zweifel gezogen werden.

Es sollte sichergestellt sein, dass ein angemessenes Verhältnis von Seminarzeit (Informationsvermittlung und Übungen) und Supervisionszeit (fachliche Reflexion der eigenen Arbeit) besteht. Wenn nach einem sog. „Basiskurs“ nur noch Supervisionstage angeboten werden, kann die didaktische Qualität der Weiterbildung ebenfalls angezweifelt werden. Sie sollten in der Weiterbildung die Gelegenheit haben und aufgefordert sein, ungefähr fünf eigene Beratungsprozesse unter Supervision durchzuführen. Ihre Weiterbildung sollte mit einer Abschluss-Präsentation enden, bei der Sie mit Ihrem eigenen Filmmaterial zeigen, dass Sie die Methode nun beherrschen.

Ein weiterer struktureller Aspekt kann die Information sein, ob der Anbieter der MarteMeo-Weiterbildung berechtigt ist, staatliche Förderleistungen für Weiterbildung wie Bildungsscheck, Bildungsgutschein oder Bildungsprämie anzunehmen und einzulösen.

Zuletzt sei auf die alte Regel hingewiesen, dass es sich meist immer lohnt, von den Erfahrungen anderer Menschen zu profitieren. Fragen Sie daher in Ihrem beruflichen Kontext herum, wer jemanden kennt, die oder der eine MarteMeo-Weiterbildung bei diesem Anbieter bzw. bei an anderer Stelle absolviert hat und kontaktieren Sie diese Person für Informationen. Es könnte sich für Sie lohnen.

Prof. Dr. Peter Bünder

MarteMeo Licensed Supervisor
Stand: Mai 2021